Fortsetzung
#o8 - W a n g e r o o g e - L a n d t t a g
Unsere zweite Woche der Sommerreise beginnt. Mit einem Landtag auf Wangerooge.
Wir lernen ... ;) Gut liegen wir, im Hafen längsseits am Steg, bei Hochwasser (Springzeit) überspülen die Wellen den kleinen Steinwall und MALA bewegt sich in ihren Springs und Leinen, alles gut abgefendert und bestens. Es kommt Wind, wieder "ordentlich", wenn wir der Vorhersage glauben dürfen. Und das wollen wir diesmal tun.
Die "Swantje" liegt im Päckchen auf MALA - und beide scheinen sich wohlzufühlen. So wie wir auch, an diesem schönen Morgen. Wenngleich unser "Morgen" erst um stolze 11:30 Uhr beginnt, und das mit Kaffee, Hafenkino und allen Annehmlichkeiten, die wir uns wünschen können :)
Gestern saßen wir noch bis lange nach Mitternacht im Cockpit, genossen den einen und den anderen Willkommensdrink und stießen auf den gelungenen ersten Teil unser Wattfahrt an. Alles an Deck ist gesichert, die Leinen liegen teils doppelt, alle Fender in Position - und an diesem Vormittag ist die Aussicht auf eine Dusche unsere allerbeste Ergänzung als nächster Schritt nach dem bereits dritten Kaffee ... ;)
Die Inselbahn - das sollte unsere Vormittagsbeschäftigung werden - leider fällt dieser schöne Vorsatz im ersten Anlauf aus & auf's Wetter bezogen ins sprichwörtliche Wasser: "Irgendjemand" muß uns wohl mit einem großen Hammer auf die warmen, weichen Kissen in den Kojen gezwungen haben. "... nur 5 Minuten! ...". Niemand aus der Crew kann sich konkret errinnern ;) - aber auf einen Schlag ist es fast 16 Uhr, was sich keiner so richtig erklären kann ... Es bestand wohl doch mehr Schlafdezifit, als wir uns eingestehen wollten. Oder lag's an den vielzähligen, begeistert genommenen "Ankommern" letzte Nacht?! Jetzt kommen wir in Bewegung.
Gesche beobachtet die wieder einlaufende Fähre - und folgert messerscharf, daß die kleine Inselbahn auch gleich wieder auftauchen würde - und siehe da :) ... wir laufen eilig rüber und setzen uns touristisch hochmotiviert mit dazu. Zum Glück haben wir an die Schnutenbüddel gedacht, auch daran müssen wir uns wieder gewöhnen, die Niederländer regeln das mit Abstand und gelebter Rücksichtnahme in der Praxis anders.
... die MALA-Crew LÄSST sich mal fahren ...
Kaum dem Massentransportvehikel entronnen, gibt's für den Skipper nur noch ein Ziel ... Für die von Euch, die Barawitzka gelesen haben sollten: Das "Café Pudding" war mein "Lampedusa" ;) Bei den letzten Besuchen auf Wangerooge von uns bisher vollkommen unberücksichtigt links liegengelassen, haben wunderbar gefilmte Beiträge zu den Watteninseln, die u.a. im Nordfernsehen ausgestrahlt wurden und über Wintermonate meine Vorstellungskraft beflügelten, dieses Café zum schieren Olymp der figgelinsch konditierten Kunstwerke erhoben. Die Erwartungen sind gewaltig. :) ...
Olymp & Enttäuschung ;)
... die folgende Enttäuschung des Schiffers ist entsprechend. Sind wir zu spät dran? Hatte das Fernsehen gar gelogen? Keine turmhohen Schwarzwälder-Kirsch-Kreationen, keine Apfeltorten, soweit das Auge am glänzenden Tresen reicht, nichts mit mächtigen Marzipanwundern ... nur ein paar traurige Reste unter einer einzelnen Glaskuppel. In der hintersten Ecke, am Ende des (leeren) langen Tresens. Mit hängendem Kopf trotten wir ungegessener Dinge davon & stellen kulinarisch auf "Herzhaft" um. Trost finden wir an anderem Ort in versöhnlich guten Fischplatten, die alles wieder aufpolierten :) Genug Kraft für die "ganz lange Runde zurück" haben wir somit gesammelt.
Nachtwanderung
Unterwegs kommen sowohl die etwas lädierten Füße des wandernden Skippers, als auch die Low-Light-Fähigkeiten des reduzierten Photo-Equipments an ihre Grenzen ;) Erst tief im Dunkeln laufen wir vom Strand hoch auf den Rundweg, vorbei an Turm & Herberge und zurück bis ins gemütliche Cockpit von MALA, die geduldig im Hafen auf uns wartet - und die Zeit genutzt hat, sich ihre beanspruchten Akkubänke wieder weitgehend vollständig laden zu lassen. Gut so. Das Zuversicht verbreitende rote Licht des Leutturmes sollte uns noch einige Nächte im Watt begleiten und freundliche Orientierung geben.
#o9 - W a n g e r o o g e - S p i e k e r o o g
Genug Landzeit, uns zieht es - mittlerweile voll wieder hergestellt - zurück in die Abgeschiedenheit des Watts. Auch wenn das Wetter laut DWD mit "SW 6, später abnehmend, später W-NW-drehend, Gewitter" beschrieben ist. Wir sind schließlich ein Segelschiff ...
Die geplanten Tagesmeilen werden nur mit Mühe überhaupt zweistellig. Heute ist Samstag. Wir wollen Maren am Donnerstag auf Norderney abholen - und die Wetterfrösche überschlagen sich in ihrer drei-Tage-Prognose. Da ist von 8 Bft., in Böen gar 10 die Rede. Und rundum scheinen es erfahrenere Skipper auch so zu sehen. OK, dann nichts wie raus vorher und alles im Auge behalten - denn das Wetter soll erst am Mittwoch in vollem Umfang in unser Region ankommen.
Um 12:30 Uhr gehen die Leinen los, und schon um 15:30 Uhr fällt der Anker vor Spiekeroog in der Nähe der Swinnbalje. Wir erleben einen angenehmen und kurzen Schlenker gen Seegatt "hoch & wieder runter", wie es beim Inselhopping hier üblich ist, dazu lediglich 4 Windstärken, in Drückern nur selten und dann wenig über 6 Bft. Dafür aber etwas später beim Trockenfallen einen echten Mords-Schrecken.
wieder unterwegs
MALAs Anker liegt zunächst tatsächlich auf N53°45,161' E007°43,318'. Selten schreibe ich überhaupt so eine Position auf, wem soll's auch nützen, das Watt ändert sich schneller, als ich meine eigenen Notizen schreiben kann. Aber in diesem Falle - und Revierkundige mögen das wissen - liegen an ziemlich dieser Stelle echte Gemeinheiten über und unter dem unschuldigen Wattsand.
Wir liegen östlich der bekanntgemachten Kabeltrassen (deutlich & weit genug), sowie westlich der beginnenden Zone1-Areale, eigentlich hübsch mittig im vermeintlich freien Gebiet. Grob dort waren wir früher schon, meine ich - aufgefallen ist uns nichts Negatives. Bis jetzt. Und da stockt mir beim Fallen des Wassers schier der Atem. Es ist 20 Uhr und Zeit zum abendlichen "Aussteigen & Wattwandern". Wir steigen aus und erkennen, was wir für einen unheimlichen Dusel hatten! MALA scheint wirklich ein gut behütetes Schiff zu sein :) Wenige Meter neben uns liegen bösartig schwere Metallreste im Wasser, Überbleibsel ehemaliger Kabeltrassen vielleicht. Und zwar äquidistant allen Ernstes auf beiden Seiten von MALA. Ich kann es kaum glauben. Das hätte arg ins Auge gehen und schmerzhafte Beulen in dem armen Schiff geben können.
Eisenreste im Sand.
Massive Poller im Sand.
Der Sundowner wird ad hoc verschoben und das Getränkeglas mal wieder gegen das Wattwühlerzubehör getauscht. Jetzt ist guter Rat teuer - wohin nun mit dem Grundeisen? Als erstes laufen wir gemeinsam die üblen Artefakte mit mitschreibendem GPS der Ankerüberwachung per Handy-App reihum ab. Somit weiß ich später wenigstens schon mal, wo ganz konkret sich diese unseligen Metallreste befinden, wenn das auflaufende Wasser dieses Elend genädig bedecken wird.
Als nächstes beginnt das "Tiden & Wetter - Lotto". Aktuell haben wir Südwind mit 4. Über Nacht (und das müssen wir mal wieder einfach glauben) künden die Prognosen von SW in gleicher Stärke, später etwas zunehmend. Das ergibt einen anderen Winkel. Das einlaufende Wasser wird MALA um den Anker drehen ... ganz Ingenieur hätte ich beinahe den Zeichenblock zur Skizze rausgeholt ;) ;) - so aber legen wir gemeinschaftlich und "nach Auge" um und ändern Länge und Lage des Grundgeschirrs nach bester Einschätzung und in Erwartung der Kräfte, die da walten werden. Eine erneute Schlammschlacht - und wir gratulieren uns wieder einmal zur Anschaffung des kleinen Klappspatens. Was für ein wichtiges Zubehörteil. :)
Mit neu abgemessener Kette wird die tatsächliche neue Lage des Ankers im Sand vor Ort in der App markiert (eine meiner seltenen konkreten Empfehlungen hier: Die praxixnah und sauber programmierte Handy-App "Anchor Sentry" ist unheimlich empfehlenswert für solche Spielereien im Watt), dann wird mit genauer Kettenlänge nochmal der erwartbare Schwojkreis abgelaufen und ebenfalls mitgeschrieben (wann kann man das schon mal so tun) - um schließlich bestmöglich sicherstellen zu können, daß wir da nicht doch noch auf Metall brummen mögen. Wir erwarten 5-10m Reserve - und nach Winddrehung eine unkritische neue Lage, weitab von allen Metallschweinereien. Das wird ungewollt wieder spannend werden. So. Zeit jetzt erst für die Heckdusche, dann für den nachgeholten Sundowner.
Ergebnis der rettenden Wattwühlereien
Zum obigen etwas wirren Bildchen (Resultat am Ende unser Bange-Zeit): Mit den drei schwarzen Punkten habe ich nachträglich die Metallreste gekennzeichnet. Das untere gelbe Knäul zeigt die GPS-Positionen, an denen wir dann zunächst aufschwammen und schwojten. Das obere Knäul zeigt dann wie erhofft die bessere, sichere Position nach der Winddrehung, in Wind und Strom liegend. Der rote Kreis ergibt sich aus unser neu gesetzten Kettenlänge (hier 43m) - und geht erkennbar frei von den bösen Metallresten - in dessen Mitte der Anker dann tatsächlich liegt. Was für ein Gedöns ... :) Nach Mitternacht hat das Bangen ein Ende, MALA liegt verläßlich und gut am Anker, schwimmt - und wir können mit besserem Gefühl ... endlich schlafen gehen. :)
#1o - S p i e k e r o o g - L a n g e o o g
Vormittags. Ohne Wasser rundum sehen wir erleichtert, daß alles wie erhofft geklappt hat! Das mühsame Ankerumlegen und unsere Maulwurfaktivitäten im Watt haben sich gelohnt! MALA liegt wieder gemütlich in lieblichen Wattsand gekuschelt - diesmal weitab von stacheligen Metallresten. Puuh. Um 15 Uhr geht unser Anker wieder auf - und wir legen die sensationelle Entfernung von 10 Seemeilen zum Ziel zurück.
Die Bilder dieses Segeltages widmen wir unserer absolut wetterfesten und uneingeschränkt zuverlässigen "Selbststeueranlage" - Lars ist mittlerweile eine echte Bank auf allen Gebieten rund um MALA. Auf dem Vorschiff, wie am Rohr - wir sind unheimlich dankbar. :) Dankbar für diesen wunderbaren Steuermann ... und wieder einmal auch für das großartige Doghouse, das bei Schietwetter genau zwei herrlich warme und trockene Plätze bietet :) Denn in den Wetterspalten von MALAs Logbuchs finden sich heute streckenweise "so eigenartige, auf der Spitze stehende Dreiecksymbole, verschiedene komische Punkte ... und waagerechte Striche" ... ;) Brrrrr.
"Selbststeueranlage"
"DANKE, Lars!"
Die Fahrt nach Langeoog wird auch zeitgleich Lars' große "Prickenweg-Reifeprüfung" :) Wind um 4 bis 5 und teils von der Seite, dazu netter, oft quersetzender Strom, den wir erleben und den das neue Navi mit 1 bis 1,5kn ausweist - da lernt man vorhalten. Das alles bei teils "so mittelmäßiger" Sicht ... und das Langeooger Wattfahrwasser mit seinem adretten Knick mittendrin, zwischen der Langeooger- und der Ruteplate, bevor es dann wieder tiefer wird und endlich auch die besser erkennbaren Tonnen in Sicht kommen :) SCHÖN!
Kurz danach kommt für uns auch schon der Hafen Langeoog in Sicht - und Minuten später liegen wir außen am ersten Querschlengel sicher und gut. Freundlich begrüßt von der Hafenmeisterin, die uns kurz vor Feierabend auch gleich noch schnell zum Anmelden einlädt. :)
Langeoog
Gesches sofortigem Landgang haben wir auch das unheimliche Glück zu verdanken, doch tatsächlich einen Tisch im kleinen Restaurant am Hafen bekommen zu können. Wir fliegen zurück auf's Schiff, kürzen den traditionellen Ankommer auf MALA dramatisch ein - und stehen nur Minuten später als gesamte Crew hungig und landfein erwartungsvoll wieder oben am Steg. Die Fischplatten sind derart gut, daß wir sie beinahe wort- und sprachlos gemeinsam und gewaltig genießen. :)
Hochgenuß an Seekarten :)
Nach gutem Essen & langem Abendspaziergang kann ich einmal mehr erleben wie es ist, beim Würfeln ständig zu verlieren ;) - das tut der Stimmung keinen Abbruch. Es kommt auf dieser Sommerfahrt noch zu einer kleinen Premiere im Wortsinne - wir hörten zuvor, daß die Zuschauerwahl des Krimis für heute Abend auf den "Langeoog-Krimi" gefallen sei. Na, das paßt. Wir hängen die kleine Leinwand in den Salon von MALA, stellen den Minibeamer auf den Tisch & genießen einen TV-Abend an lokalen Örtlichkeiten, während draußen das Wetter so langsam beginnt, einmal mehr feuchtfröhlich zusammenzubrechen ...
#11 - L a n g e o o g - B a l t r u m
Nur kein' Streß! ;) Wir lassen es ruhig angehen. Wenngleich uns der nach wie vor erwartete Wetterwechsel zeitlich förmlich im Nacken sitzt. Mittlerweile glauben auch andere Skipper, die mit ihren Booten weitläufig in unsererer Nähe unterwegs sind und mit denen wir Kontakt halten, daran, daß das mit dem Wetter "was werden kann".
Es ist 13:30 Uhr. Wir sitzen im Doghouse und beobachten einen richtigen Exodus von Wassersportlern aus dem Hafen. Der war schon vorher kaum noch gefüllt (lt. Hafenmeisterin haben wir das optimal abgepaßt, in den Wochen zurvor hätte das helle Chaos geherrscht). Doch jetzt leert er sich fast vollständig. Es ist 3 Stunden vor Hochwasser, halbe Tide. Man kann die Uhr danach stellen, die Karawane setzt sich in Bewegung - und wir einen weiteren Kaffee auf. Mit strammen 8 (in Worten: ACHT) Seemeilen haben wir ein äußerst überschaubares Tagesprogramm. Gepaart mit dem auf Wunsch recht geringen Tiefgang von MALA gibt das uns eine entspannte Gelassenheit.
Wir vertagen kurz danach unser Auslaufen nochmals - und lassen eine weitere "Gewitterhusche" durchlaufen. Blitz, Donner, gemessene 8(!) Bft. in den zugehörigen Böen und satt Regen machen uns diese Entscheidung sehr leicht. Um 15 Uhr lösen auch wir dann die Leinen und richten MALAs Bug nach dem obligatorischen "Schwenk" Richtung Seegatt dann auf das Baltrumer Wattfahrwasser, das wir motorend mit einer Wassertiefe von nicht weniger als 1,8m entspannt passieren können.
Unterwegs nach Baltrum - ohne Gewitter.
Manchmal hat Abwarten auch etwas wirklich Gutes! Und so kann uns Gesche weitgehend trocken und ohne nickliche Gewitterzellen in Ruhe durchs Wattfahrwasser navigieren. Lars mit den besten Augen ;) sitzt derweil wachsam mit Blick voraus und sucht die jeweils passenden Pricken. Ich sitze im Heckkorb, möglichst wenig im Weg und halte eine große Tasse Tee hingebungsvoll fest. Jeder, was er am besten kann ;) Um uns herum leuchtet das Wetter und Wolken ballen sich wunderschön, doch diesmal schien geschrieben zu stehen, daß wir weitgehend ungeduscht durchkommen dürfen.
Ausguck.
Unsere Entscheidung ist gefallen: Wir wollen uns auf der wunderschönen Insel Baltrum einwehen lassen für die nächsten zwei oder drei wind- und wetterreichen Tage. Diese kleinste der ostfriesischen Inseln kennen wir noch gar nicht (zumindest glauben wir das bis heute - allerdings dachten wir das von Juist auch mal, bis Skipper & lieber Freund Kalle aus staubigen Archiven aussagekräftige Photos der Vergangenheit hervorholte und uns feixend eines Besseren belehrte ... seliges Vergessen eher unseliger Priel-Aktionen? Oder werden wir etwa mit den Jahren doch älter?? ;)
Bereits um 16:45 Uhr sind unsere Leinen im kleinen Hafen auf Baltrum fest. Nach dreimaligem Umlegen allerdings. Erst war uns der gewählte Schwengel angesichts der angekündigten Windmassen nicht lang genug ... dann war uns dieser sensationelle Schwimmsteg zu schwabbelig und außerhalb unser Landstromkabel-Länge. So kommen wir schlußendlich zu unserem feinen Liegeplatz und konnten beginnen, MALA so richtig nachhaltig in ein dichtes Netz aus Springs und Leinen in alle Richtungen zu verzurren. Sowas ist genau mein Ding, deshalb liebe ich an Deck unter anderem auch unser Kutterrigg und die Backstagen mit all' dem Leinengedöns so. ;) Wir lüften mal alles, was MALAs Backskisten an Leinen so hergeben, betten unser geliebtes Boot rundum in weiche Fender, wickeln sogar noch liebevoll Marlschläge um das Segel auf dem Baum und spannen alles ab, was irgendwie auch nur klappern könnte ... klaren alles auf - und sind angekommen! Auf diese Insel freuen wir uns riesig!
Baltrum.
Anmelden dürfen wir später ("Ihr werdet bei dem Schietwetter ja eh 'n büschen hier bleiben"), rumliegen und lesen hingegen dürfen wir ab sofort. Die Landstrom-Crew nahm mit riesiger Freude zur Kenntnis, daß in dieser kleinen, heilen Welt der Münzautomaten-Unfug anscheinend keinen Eingang gefunden hat! Was für eine Erleichterung, wenn man unter anderem für medizinisches Gerät auch in draußen windiger, dunkler, nasser und kalter Nacht auf eine ordentliche Stromversorgung angewiesen ist! Die Insel mögen wir jetzt schon - und haben noch keinen richtigen Fuß an Land gesetzt! :) Das holen wir für Mia aber am Abend mit einem ersten größeren Rundgang noch nach. Fast ohne naß zu werden ...
#12 - B a l t r u m - L A N D T A G
Das Wetter kommt nur langsam. Es läßt sich Zeit, die wir nutzen. Erste Regenhuschen erreichen uns erst, als wir auf unserem Inselspaziergang zum Westdorf und bis an die westliche Inselspitze ganz am westlichen Ende mit Blick ins Seegatt Richtung Norderney stehen. Wir beginnen den geordneten Rückzug und haben rundum Glück, bekommen sowohl Ersatz für die langsam ausgehende Zahnpasta ;) - als auch frischen Apfelkuchen!! Diesen sind wir nun bemüht, schnellstmöglich und trocken an Bord zu bekommen, denn der Wind kommt - und er treibt den Regen vor sich her. "kommt der Regen vor dem Wind ... reff' geschwind!". Dieser Jahrzehnte früher mal verinnerlichte Merksatz hat nichts von seiner Aktualität verloren und so eilen wir im gestreckten Galopp zurück in den Schutz unseres warmen, heimeligen Salons. Fast wären wir auch schnell genug gewesen, um trocken zu bleiben ... ;)
MAUS.
Mittlerweile sind es 5-6 aus Süd. Und wir haben schmerzhafte erste Verluste zu verzeichen ;) Unsere Flagge, die Gesche vor vielen Jahren für unser damaliges Segeln noch mit Kleinkindern und Säuglingen nähte, und die es seither geschaft hat, tatsächlich auf jedem Familientörn mitzufahren - sie hat durch die Flatterei dieses Jahr dann aufgegeben. Wir bergen den guten alten Freund - und schicken das liebgewonnene Stückchen Stoff auf's verdiente Altenteil. Sentimentaler Quatsch?? Stimmt. :) Aber schön.
Ich nutze die Gelegenheit, in der kurzen Wartezeit, die mir das langsam heiß werdende Kaffeewasser läßt (und in der ich oben im Cockpit "unbeobachtet" bin, während Gesche unter Deck die Kaffeemühle dreht), um noch eine weitere Leine anzubringen, die ich zuvor in der Backskiste übersehen haben muß ;)
MALA - "voll vernetzt".
Der Bug von MALA zeigt fast genau nach West. Derzeit haben wir Süd-Ost um 6 Bft., der Wind kommt von Backbord achtern. Bis zum nächsten Morgen sollte der Wind auf Süd-West drehen und damit unsere lange Stegseite vollständig entlasten. Ich ziehe und tüddel' noch etwas an allen Leinen, lege MALA noch eine Winzigkeit mittiger in ihre Box - und fange dann noch das losgekommene Vorstag des schönen Schiffes in der Box neben uns ein. Der Eigner bedankte sich später sehr für diese Selbstverständlichkeit - wir beide waren aber baß überrascht, daß sich ein komplett gesichertes Vorstag derart losvibrieren konnte. Ich überprüfe ein x-tes Mal bei uns alles und streune noch etwas über das Leinengewirr an Deck ;) - bis mich der wunderbare Ruf: "Aaaaapfelkuuuchen! Backen & Banken!!" zügig von Deck und ab in den warmen Salon lockte. Das Wetter darf kommen. MALA schiebt bereits jetzt 3-4° Lage in ihrer Box. Das ist wohl auch dem vollständig aufgeholten Kiel geschuldet.
#12 - B a l t r u m - L A N D T A G
08:00 Uhr. Das Sturmtief scheint uns erreicht zu haben. Das Wasser rundum ist bewegt, es pfeift und heult gelegentlich kräftig in den Riggs der Boote, wir haben starken bis stürmischen Wind, jetzt aus SW und W um 7 Bft. Im 5 Minutentakt werden die Regenschauer durchgetrieben, die kleinen Zeitfenster dazwischen reichen uns nicht einmal, um die Handtücher rauszuhängen ;) Der Winddreher kam tatsächlich - und MALA liegt zufrieden in ihren vielen Leinen und mit viel Wasser rundum. In ihrem Element, praktisch. :)
Viel mehr soll's nicht werden - sonst reicht mein Segelwind-Schummelzettel am Schott nicht mehr ;)
Gegen 15 Uhr nutzen wir ein kurzes Zeitfenster, kaufen im niedlichen Fischladen am Ort besten lokalen Plattfisch und Steinbeißer, den es abends an frischen Bratkartoffeln geben wird - und ... gehen Wellenbaden auf der Nordseite der kleinen Insel. Die dick in Wetterschutz verpackten Leute rundum schauen uns irgendwie etwas mitleidig an, als wir uns da quiekend begeistert in die Wellen hechten, um kurz danach in allerfeinsten Strandsand gepökelt in Richtung der fest eingegrabenen Handtücher zurücklaufen. Wir genießen die Nordsee & finden es schlicht ... HERRLICH! Selbst Mia ging und schwamm mit uns - und das ganz ohne daß sie dazu überredet wurde. Sie wird immer mehr ein richtiger Bord- und Seehund. :)
Morgen sollte der Wind weitestgehend durch sein. Morgen "dürfen müssen" wir auch weiter - denn dann ist Donnerstag - der Tag, an dessen Abend wir tunlichst wieder auf Norderney liegen wollen, um dann später unsere Crew mit Maren für die letzte Segelwoche zu komplettieren. Wir genießen schlemmend, spielend und gemeinsam feiernd den schönen Abend im Salon von MALA - und ahnen noch ganz und gar nicht, was die nächsten Tage so alles für uns bereithalten sollten ... :) In der Nacht geht der Wind kontinuierlich zurück. Und wir schlafen tief und fest.
#12 - B a l t r u m - N o r d e r n e y
09:15 Uhr. ALAAAAARM! Was für ein unangenehmes schrillendes Geräusch. Ich kann es gar nicht einordnen, während ich aus tiefem Schlaf kommend, hochschrecke, erstmal wie ein dekomprimierender Taucher die Schlafbläschen aus meinem System schüttle und mich orientiere. Ah. Es ist das verflixte Handy. Und es klingelt. Noch nicht ganz wach fummle ich an diesem Gerät herum, halte es mir dösig noch falsch herum ans Ohr und nuschle ein unwaches "Hmmmpggf - ja?!" an die verkehrte Seite des Gerätes, das wahrscheinlich kaum zu verstehen sein würde. Parallel ringe ich mit der Bettdecke, in der ich mich irgendwie verfangen zu haben scheine. Was für ein mistiger Weckruf für einen schönen Urlaubstag. Immerhin werde ich im Zuge des Ringkampfes mit der Decke etwas wacher.
Die liebe Tochter ist dran. Oh, wie schön! Nein, gar nicht. Sie ist in heller Aufregung und entsprechend aufgelöst. Es ist seit bestimmt knapp 10 Jahren das allererste Mal passiert, daß ihr mit dem Wecker früh morgens irgendein lausiges Mißgeschick passiert ist - sie hat verschlafen und der (Sparpreisticket-) Zug ist nicht mehr erreichbar. Jetzt bin ich wach. Gesche gleich mit.
Gemeinsam finden wir eine Lösung, mit Hilfe der lieben Eltern des Freundes, die alles irgendwie Denkbare ermöglichen und alle Hebel in Bewegung setzen, um auszuhelfen ging es im Feuerwehrtempo schlußendlich gegen die Uhr zum Bahnhof, während wir auf dem Boot sitzend verzweifelt versuchten, noch zeitgerecht in dem DB-Portal irgendwie ein neues Ticket zu buchen. Was für ein Start. :) :)
Um 11:34 Uhr kommt die erlösende Nachricht, daß Maren tatsächlich im Zug in Richtung Norddeich Mole sitzt. Einschließlich Fähre ergibt das eine neue ETA von ca. 21:25 Uhr - und für uns die Aufgabe, unsere Wattfahrt nach Norderney neu zu planen - und jetzt erstmal einen Kaffee zu kochen. Mit Baileys drin. Viel davon. Guten Morgen ;) Demnach haben wir dann nun noch etwas mehr Zeit, als ursprünglich geplant ...
Jetzt, mit weniger Wind (wir haben noch 2-3 Windstärken) fliegen sie wieder, die unterhaltsam irren Typen in ihren drei verrückten fliegenden Kisten! ;) Besonders einem der Piloten scheint es diebischen Spaß zu machen, am Ende der Startwiese erst ganz knapp über Touristen, Tierchen, Zäunen und den nahen Hausdächern sein Fliegerchen steil hochzuziehen. Beeindruckend. Aber nix für uns. Wir beginnen, MALA aus ihrem Strickgeflecht zu entwirren. Ich tue das genaugenommen ... wer's gestrickt hat, muß es auch wieder aufräumen ...;)
Tiefflieger
Um 17:30 Uhr sind wir klar zum Auslaufen und verlassen unser sehr liebgewonnenes Refugium. Hierher werden wir sicher gerne wiederkommen! Wenig Luftbewegung, später gar kein Wind mehr, so passieren wir das Baltrumer Wattfahrwasser bei nicht weniger als 1,7m Wassertiefe und dieseln schließlich in den Norderneyer Hafen. Vor diesem drehte die Fähre zunächst lustige Pirouetten, wie wir schon von Weitem sehen konnten - und sie liegt schließlich quer vor der Hafeneinfahrt, als wir passieren wollen. Auf etwas wartend, so scheint es uns. Nur um ganz sicherzugehen, stimmen wir uns kurz per VHF ab. MALA darf am Heck und der Steuerbordseite passieren und so fahren wir in den Hafen ein und unsere "Aufführung" nimmt ihren Lauf. :)
Wattfahrt-Idylle
P i e r - P a n n e & S t e g - S c h a n d e
(mit drei *)**)***)-Sternchen-Nachbemerkungen und Augenzwinkern)
Windstille (!). Alle Leinen und Fender klar. Beste Sicht. Kein Regen. "Jetzt sollte nichts mehr schiefgehen können". Diesen Satz hätte ich besser heruntergeschluckt ;) Uns stand unser wohl bisher unwürdigstes Anlegemanöver bevor, seit wir MALA fahren dürfen, leider.
Wenn man es schafft, sich den Bug bei absoluter Flaute und ganz und gar ohne Querstrom UND dazu noch bei einer riesengroßen, komplett freien Box an der Betonpier zu verkratzen, dann glaubt einem die abenteuerlichsten Ozeanritte und das liebevoll gesponnene Seemannsgarn von wildesten Windgeschichten, die lediglich aufgrund der unheimlichen Qualifikation dieser Wundercrew überhaupt überstanden und heute so erzählt werden können ... niemand mehr. Seufz. Wir haben's diesmal komplett versemmelt. Irgendwann ist es wohl mal soweit:
Es gab keine Abstimmungen vor dem Einlaufen (eine absolute Seltenheit bei uns), und wir dieseln langsam in die übergroße Box zwischen zwei Schlengeln. ("wir waren doch eben gerade erst hier ... da kann ja nur all'ns kloar sien - einfach alles genauso machen, wie beim letzten Mal ..."). So fängt sowas an ...
Der Rudergänger kann sich nicht recht entscheiden, fährt nicht schön an, sondern unsauber zu mittig, etwas (nur ein ganz klein wenig) Seitenwind kommt auf. Unbemerkt.
Der Bug läuft in die Box, die Luv-Vorleine geht über ... und wird nicht gehalten. Schiefgegangen. Passiert. Die Luv-Achterleine verfehlt ihre Klampe am Steg. Einmal, zweimal ... die zugehörige Spring zunächst auch, geht dann aber über. Leider die falsche. Richtig schiefgegangen. Das war dann in Summe mindestens eine Nachlässigkeit zuviel ...
Wir kriechen weiter vorwärts, langsam quertreibend - und touchieren zunächst die Leeseite der Box. Peinlich. Nichts mehr zu machen. Schadfrei noch, aber infolgedessen zeigen sich erste Dellen im Ego des Steuermanns, dem zwar leise Hörnchen wachsen, der aber vor Scham hinter dem Rad immer kleiner wird. Vielleicht konnte er deswegen nicht mehr anständig bis zum Bug gucken ... ;) Diese sollten noch größer werden - denn wir bringen das Kunststück fertig, aus diese Lage tatsächlich unbemerkt bis vor an die Betonkante der Pier zu rutschen! Oh Mann. Das bißchen Wind hat noch gedreht und schiebt uns etwas vorwärts. Keiner paßt auf, keiner sieht es. Bis auf all die Leute auf den Booten rundum und auf dem Steg natürlich. Und an ebendiesem Steg kratzen wir uns da die schöne blaue Farbe vom Bug. Das schmerzt.
Dann sind endlich alle Leinen fest - und wir runter mit den Nerven. Das kann gar nicht wahr sein ... die auf MALA übliche Manöverkritik fällt lang und sehr deutlich aus ... Wir brauchen mehrere Anlegerschlucke, bis wir uns das noch irgendwie schönreden können ;) Mit dieser Insel werden wir einfach nicht richtig warm ... Naja. Unser Fazit nach dem Trauerspiel: "Schütteln, Krönchen richten, aufstehen weitermachen". Und: "Wer viel fährt, der fährt auch mal was kaputt. Es wird nicht das letzte Mal bleiben.". Ein schwacher Trost.
Wir überdecken die Schande am Bug mit einem kleinen Klebestreifen (dabei entdecken wir, daß es nicht das erste Mal war, daß eine Crew auf MALA hier etwas Pech gehabt haben mußte ;) - und freuen uns dann darauf, Maren willkommen zu heißen, die um 21:08 Uhr dann tatsächlich nach ihrer Odyssee von der Fähre schreitet! :) Wir essen großartig an Bord, erzählen viel, lassen den Abend ausklingen - und schauen, ob wir denn morgen wohl bis Juist durchkommen mögen. Es kann nur besser werden. *)
Und mit diesem schönen Familien-Abend endet auch die zweite Segelwoche von MALAs Sommertörn 2o2o. Unsere Crew ist jetzt vollständig & alle wollen die nächsten 7 Tage Erholung, Spaß & Segeln. **)
**) zum weiteren Törnverlauf:
Was wir zu diesem Zeitpunkt nicht ahnten, ist, daß uns als Familiencrew die bisher für uns wohl härteste, teils grenzwertige "Prüfung" auf See bevorstehen sollte, die wir (alle) wohl lange in Erinnerung behalten werden. ***)
______________________________
Nachbemerkungen: ;)
***) zum Schreibstil:
Ich liebe es, wenn der allwissende Erzähler, der diese kleinen Reisegeschichten im Nachhinein zusammentippt, immer mal wieder solche wahrsagerischen Anmerkungen unheilsschwanger einwerfen kann ... ;) ;) ... seht es mir nach, ich konnte nicht widerstehen.
*) zu vergeigten Aktionen und Manövern:
Einige waren der Meinung, daß ein derart versemmeltes Manöver doch einfach für sich behalten und Stillschweigen über eine solche Pleite bewahrt werden sollte. Das sei deutlich besser für Renommeé & Ansehen. ;)
Ich bin hingegen der Meinung, daß man kleine Patzer ruhig auch beim Namen nennen darf. Sollte vielleicht sogar. Warum auch nicht?! Eventuell hilft es dem einen oder anderen Segler und Mitleser ja ein wenig - ganz sicher aber werden sich bestimmt mehr als nur eine Handvoll erfahrener Segler in ihren vielfältigen eigenen Erinnerungen auch bei so einfach schiefgegangenen Aktionen schmunzelnd wiedererkennen.
Wer viel fährt, der fährt halt auch mal was kaputt. Und wenn wir auch noch so umsichtig sind - das wird bestimmt nicht das letzte Mal sein. Hoffentlich nicht - heißt das doch, wir fahren noch viele, gute Jahre. Und auf all' die schönen Erlebnisse und Erfahrungen möchte ich auf ganz und gar keinen Fall verzichten! :) In diesem Sinne mache ich mich dann mal ans Schreiben der dritten und vorerst letzten Segelwoche :)
...
_____________ A l l e r b e s t e G r ü s s e - C r e w v o n M A L A A l h e n a :) _____________